Semantischen Interoperabilität und die Einbeziehung des Patienten

Prof. Dr. Wache erachtet das Requirements Engineering als besonders wichtig in der digitalen Transformation im Gesundheitswesen. Dazu sollten vorab die Prozesse angeschaut werden, für die die Software eingesetzt werden soll und auch systematisch deren Anforderungen erhoben werden.

Software-Hersteller sollten verstehen, dass die Endanwender glücklich sein müssen und dass sie gerne mit der Software arbeiten wollen müssen. Usability und User Interface sind wichtig, weil eine super Oberfläche keine Handbücher braucht, um die Software bedienen zu können.

Prof. Dr. Wache sagt, dass eine gute Usability der Software auch die Akzeptanz steigern würde: „Also wenn Sie jetzt in ein Krankenhaus gehen und die Ärzte fragen, die haben meistens keinen Bock mit der Software zu arbeiten. Es ist natürlich ein Problem, dass sie ganz viel dokumentieren müssen, was jetzt nicht vom Software-Hersteller kommt, sondern von irgendwelchen regulatorischen Vorgaben, aber so manifestiert sich eben alles an der Software und sie ist dann eben auch ein dankbares Opfer, wenn sie häufig abstürzt oder wenn man drei Klicks mehr braucht, als man eigentlich brauchen müsste. Ich glaube, da müsste noch ein bisschen was passieren.“

Eine semantische Interoperabilität der Daten und Systeme sind für Prof. Dr. Wache unabdingbar: „Ich setze mich ein für semantische Interoperabilität, also dass man Daten nicht nur austauscht, wenn man sie technisch austauschen kann, sondern es auch wichtig, dass das Empfängersystem das gleiche darunter versteht. Wo wir gerade in Deutschland unterwegs sind: Wir machen so eine Art Dropbox, wo wir medizinische PDF-Dateien reinpacken. Das ist im Moment der Stand, wo wir sind mit unseren elektronischen Patientenakten. Es geht aber besser! Also sinnvoll ist, wenn ein Arzt etwas aus seinem System exportieren kann, es wird verschickt und der Arzt, der dieses Dokument bekommt, kann das auch wieder genauso bei sich einsortieren und hat nicht irgendwo eine PDF-Datei. Dann hat es tatsächlich einen Mehrwert für den Arzt. Was ich genauso wichtig finde ist, dass der Patient mehr einbezogen wird.“

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Schön, dass Sie Zeit gefunden haben. Können Sie sich kurz vorstellen und ein bisschen erzählen, was Sie so tun?

Mein Name ist Christian Wache. Ich bin Professor für Gesundheitsinformatik am Bodensee bei der HTWG in Konstanz. Vorher war ich bei der Meierhofer AG, war da verantwortlich für das ganze Produkt-Portfolio, also hauptsächlich Krankenhausinformationssysteme. Vorher habe ich promoviert in Köln. Und ich habe mit Schrecken festgestellt, dass ich jetzt seit 20 Jahren eben schon Informationssysteme der Medizin mache. Nebenbei bin ich im GMDS e. V. und wir bringen auch alle zwei Wochen einen Podcast raus: den eHealth Podcast. Genau, das ist hauptsächlich das, was ich beruflich mache.

Christian Wache. Professor für Gesundheitsinformatik am Bodensee bei der HTWG in Konstanz

Inwieweit, denken Sie, kann die Digitalisierung eine Antwort auf den Fachkräftemangel im deutschen Gesundheitswesen geben und auch auf den demografischen Wandel?

Das ist ja eigentlich eine ganz beliebte Frage, die der Branche oder der Industrie immer gestellt wird. Die Industrie sagt immer, dass es natürlich eine Möglichkeit gibt, dem entgegenzuwirken. Es ist ja so, dass man zum Beispiel mit Telemedizin sich Ressourcen von zum Beispiel Arbeitskraft von anderen Standorten einkaufen kann. Gerade in der Radiologie ist es zum Beispiel schon gang und gäbe, dass man Röntgenbilder, dass man generell

Bilder, die von medizintechnischen Geräten erzeugt worden sind, woanders hinschickt. Sie werden woanders befundet und die Bilder kommen zurück. In Deutschland kann so was natürlich auch hilfreich sein, in anderen und dünn besiedelten Gebieten. Und natürlich dieses Hauptstichwort: Prozessoptimierung. Wenn zum Beispiel Pflegekräfte nicht ihre Zeit damit verschwenden müssen, dass sie einen Schrank ein- und ausräumen oder dass sie Wasser zum Patienten bringen, sondern wenn man da die Prozesse optimiert, dass sie selbst weniger dokumentieren müssen, weil die Daten direkt aus den Geräten aufgenommen werden, dann kann man natürlich dort auch schauen, dass man dem entgegenwirkt. Ganz wichtig ist,

dass die Digitalisierung nicht dazu führen darf, dass man weniger Zeit am Patienten hat oder dass Stellen abgebaut werden. Das muss man natürlich auch so kommunizieren, ansonsten hat man einen schwierigen Stand in den Kliniken. Wenn man hinkommt und sagt: ‚Mit der Software können Sie zwei Pflegekräfte einsparen’ – dann kann ich Ihnen jetzt schon sagen, dass es wahrscheinlich in die Hose geht.

Was sind die optimalen Lösungen momentan hinsichtlich der Dokumentation für Pflegekräfte beispielsweise? Meines Wissens verbringen Pflegekräfte bis zu 30 Prozent am Tag mit Dokumentation.

Ja, da gibt es ganz viele Studien. Ich glaube, bei den Ärzten ist es teilweise noch schlimmer. Das Problem ist generell, also ich kann jetzt nicht ein Produkt sagen, das weiß ich nicht, es gibt ganz viele durchaus spannende Sachen, die da passieren. Was ich gerade im

Pflegebereich immer wieder gerne nenne, sind smarte Systeme, wo ein wohldurchdachtes Assessmentformular ausgeführt wird und im Hintergrund haben sich eben ganz viele Pflegewissenschaftler hingesetzt und haben gesagt: Wenn die Frage mit ‚Ja’ ausgefüllt würde und die nächste Frage mit ‚3’, dann kann nur das und das und das hinten raus purzeln. Das heißt, dass man Sachen ableitet und nicht alles immer wieder händisch dokumentieren muss. Und das andere, auch zum Thema Pflege, was ich immer wieder gerne sage, ist eine smarte Klingel. Also wenn ein Patient klingelt, ist es heutzutage so, dass vielleicht eine Pflegekraft hingeht, fragt ‚Was ist denn los’ und der Patient sagt ‚Ich hätte gern Wasser, ich habe Durst’, dann geht die Pflegekraft weg und holt das Wasser und bringt es zu ihm. Wenn der Patient direkt sagen könnte, beispielsweise, Ich möchte Wasser haben, dann würde man einen Gang sparen und die Pflegekraft wüsste, dass es gerade nicht so dringend ist und könnte das vielleicht später irgendwie mit erledigen. Das sind alles ganz kleine Sachen, aber wenn man da viele Sachen zusammenpackt, viele smarte Sachen zusammenpackt, glaube ich schon, dass das viel bringen würde. Das eine Produkt, das man einfach kaufen kann, setup und exe aufrufen und danach ist die Pflege glücklich, das kenne ich nicht.

Welche Verbesserungen sehen Sie noch, was die Arbeit der Menschen im Gesundheitswesen angeht?

Das ist eine sehr generische Frage. Was IT bewirken kann, was die Arbeit erleichtert? Also ein bisschen was habe ich gerade schon angesprochen. Ich antworte ein bisschen anders: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Software-Hersteller verstehen, dass die Endanwender glücklich sein müssen und dass sie gerne mit der Software arbeiten wollen. Warum ist Apple groß geworden? Warum ist Google groß geworden? Unter anderem, weil sie eben eine super Oberfläche haben, weil man keine Handbücher auswendig lernen muss, um die Software zu bedienen. Sie sehen ausländische Anbieter, die auch hier übrigens auf der Messe sind, die im Ausland sehr erfolgreich sind, unter anderem eben, weil sie eine super Usability haben. Ich glaube, das ist ein ganz großes Thema, das auch die Akzeptanz steigern würde. Also, wenn Sie jetzt in ein Krankenhaus gehen und die Ärzte fragen: die haben meistens keinen Bock mit der Software zu arbeiten. Es ist natürlich ein Problem, dass sie ganz viel dokumentieren müssen, was jetzt nicht vom Software-Hersteller kommt, sondern von irgendwelchen regulatorischen Vorgaben, aber es manifestiert sich eben alles an der Software und dann ist es eben auch ein dankbares Opfer, wenn es häufig abstürzt oder wenn man drei Klicks mehr braucht, als man eigentlich brauchen müsste. Ich glaube, da müsste noch ein bisschen was passieren.

Ja genau, darauf wollte ich hinaus: Also es gibt ja viele Lösungen und die scheinen auch wirklich alle gut zu sein, aber die Leute mitzunehmen, das funktioniert dann irgendwie doch nicht so richtig und da braucht man irgendwie noch ein Erfolgsrezept, das noch nicht wirklich überall vorhanden ist, scheint mir.

Was sind Ihre persönlichen Ziele und Wünsche? Was würden Sie sich für die nahe Zukunft wünschen und wofür setzen Sie sich besonders ein?

Was wünsche ich mir? Also ich komme gerade von dem Hot Seat, das war eine Veranstaltung mit Dr. Ludewig vom Health Innovation Hub. Das war durchaus interessant, was dort für Fragen gestellt wurden. Ich glaube, wir fokussieren uns gerade in Deutschland generell sehr stark auf die elektronische Patientenakte, das ist ein großes Thema.

Wofür setze ich mich ein? Ich setze mich ein für semantische Interoperabilität, also dass man Daten nicht nur austauscht, wenn man sie technisch austauschen kann, sondern es ist auch wichtig, dass das Empfängersystem das gleiche darunter versteht und wo wir gerade in Deutschland unterwegs sind: Wir machen so eine Art Dropbox, wo wir medizinische PDF-Dateien reinpacken. Das ist im Moment so der Stand, wo wir sind mit unseren elektronischen

Patientenakten. Es geht aber besser! Also sinnvoll ist, wenn ein Arzt was aus seinem System exportieren kann, es wird verschickt und der Arzt, der dieses Dokument bekommt, das auch wieder genau so, bei sich einsortieren kann und nicht irgendwo eine PDF-Datei hat. Dann

hat es tatsächlich einen Mehrwert für den Arzt. Was ich genauso wichtig finde ist, dass der Patient mehr einbezogen wird. Also ganz häufig sprechen Techniker, sprechen Ärzte, es wird auch immer wieder mal gesagt: Ja, aber der Patient, dem ist doch Datenschutz wichtig z. B., das glaube ich auch. Aber ich fände es schön, wenn wir die Patienten etwas mehr einbeziehen würden. Das ist schwierig, weil es natürlich nicht den einen Patientenvertreter gibt, wie bei den Ärzten oder sowas, da gibt es eher Vertreter, aber das ist glaube ich wichtig, denn um die geht es ja eigentlich.

Vielen Dank für das Gespräch!